Bitcoin wird zum Zahlungsmittel
Krypto-Netzwerk Lightning ermöglicht Payment-Verwendung – Wertentwicklung über Spekulation hinaus
Bitcoin hat bis heute noch nicht seine Bestimmung erreicht, da die Kryptowährung eigentlich auch dem elektronischen Bezahlen dienen sollte. Diese Verwendbarkeit rückt mit dem Aufbau der Infrastruktur des Lightning Network in greifbare Nähe. Erste Schwellenländer haben Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt und setzen neben staatlichen Wallets auf die Abwicklung von Zahlungen über Lightning – das funktioniert per Smartphone auch für den Einkauf vor Ort.
Von Björn Godenrath, FrankfurtKaum ein zweites Phänomen spaltet die Gemüter so sehr wie die Existenz des als „Peer-to-Peer Electronic Cash System“ erfundenen Bitcoin. Als Reaktion auf die Verwerfungen der Finanzmarktkrise von einem Entwickler(-Kollektiv?) unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto 2008 entwickelt, fungiert Bitcoin als dezentrales Netzwerk von Computern, die Transaktionen über einen Konsensus-Mechanismus auf die Bitcoin-Blockchain eintragen. Diese fungiert als manipulationssicheres Layer-1-Register, das aber zunehmend über Layer-2-Blockchains wie Stacks oder das Lightning Network angesteuert wird. Diese Layer-2-Netze ermöglichen sehr viele höhere Geschwindigkeiten für Transaktionen – was wiederum eine Grundlage darstellt für kommerzielle Anwendungen, bei denen Bitcoin im Mittelpunkt steht.Es sind nicht zuletzt diese Aussichten auf eine erhöhte Skalierbarkeit von Bitcoin als Zahlungsmittel, die den Kurs antreiben. Obwohl sich ein immer härterer „Crackdown on Crypto“ abzeichnet, pendelt die Notiz hartnäckig in einer Handelsspanne von 40 000 bis 50 000 Dollar. Diese Resilienz ist erstaunlich – und viele Investoren geben an, dass Bitcoin für sie als Inflationsschutz eine Beimischung im Depot darstellt.Esoterische KurszieleOb Bitcoin diese hohen Erwartungen erfüllen kann? Die Kursziele schwanken je nach Philosophie zwischen null und 1 Mill. Dollar – wobei beide Kursziele hanebüchen sind. Das Kursziel null wird vor allem von Bestandswahrern aus der Finanzindustrie ausgerufen, die Vorteile von Bitcoin im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr ignorieren: Für Menschen in Schwellenländern macht es aber einen Unterschied, ob sie 20 % Gebühr bei Western Union lassen oder nicht. Die Frage, ob Bitcoin als Wertspeicher fungieren kann, wird trotz der Volatilität inzwischen von vielen Menschen mit Ja beantwortet, da sie dieses Risiko als beherrschbar einordnen und gegenüber den üppigen Gebühren bevorzugen. Außerdem setzt sich bei vielen Marktteilnehmern der Eindruck durch, dass mit Geldflut und anziehender Inflation die Kaufkraft von Dollar und Euro geschwächt wird. Und so wie die Bondmärkte von den Notenbanken sediert wurden, werden die Verbraucher mit dem Fiskal-Helikopter (Stimulus-Schecks) beruhigt. Das von EZB-Chefin Christine Lagarde geäußerte „Wir sind nicht dazu da, die Spreads von Staatsanleihen zu managen“ hatte keine 24 Stunden Bestand. Zudem sei darauf verwiesen, dass in Deutschland die Rente mit Steuermitteln von 100 Mrd. Euro jährlich alimentiert wird.Mit dieser Bestandsaufnahme nähert man sich den Auguren, die ein Kursziel von 1 Mill. Dollar für Bitcoin ausgeben. Denn sie gehen davon aus, dass das herkömmliche Finanzsystem scheitern wird, weil der Rollover von finanziellen Verpflichtungen irgendwann nicht mehr funktioniert und Volkswirtschaften dies nicht mit Wachstum ausgleichen können; außerdem könnte die Bevölkerung ab einem gewissen Punkt des gefühlten Kaufkraftverlustes das Vertrauen in Dollar und Euro verlieren. Mitunter ist das jetzt schon eine Motivation für den Bitcoin-Kauf: Investoren wollen sich rüsten für den Worst Case und häufen Vermögenswerte bzw. Sachwerte an, die in einem solchen Desaster Bestand haben könnten.Es gibt allerdings zwei Dinge, die gegen einen astronomisch hohen Bitcoin-Kurs sprechen. Zunächst mal haben die Notenbanken im Zusammenwirken mit Fiskalmaßnahmen noch die Chance, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die Federal Reserve hat erste Signale zum Tapering gegeben, auch die EZB hat erste, zarte Zeichen gesendet. Aber was passiert, wenn diese Tapering-Versuche scheitern? Die Historie der Fed stimmt pessimistisch: Von Operation Twist, während der die Notenbank Treasuries mit kurzer Laufzeit ver- und längerlaufende ankaufte, um die Zinsen am langen Ende der Kurve zu senken, bis zur Repo-Krise hat sich gezeigt, dass die Währungshüter beim ersten Anzeichen von volkswirtschaftlicher Schwäche oder einem Schluckauf im Finanzsystem die Notenpresse anwerfen. Und für die EZB schließen Beobachter schon die Wette ab, dass sie einknickt, sobald Italien und Griechenland wieder höhere Zinsen für ihre Emissionen zahlen müssen.Diese Rollover-Risiken von Staatsanleihen werden blitzartig wirksam. Da hilft es nicht, dass der Kapitalstock von Euro-Staatsanleihen eine durchschnittliche Laufzeit von sieben Jahren hat. Denn wer sich nicht mehr am Markt refinanzieren kann, verliert sofort den Boden unter den Füßen. Allerdings sollte man niemals die Beharrungskräfte eines gewachsenen Systems unterschätzen. So zeigte das Deleveraging der Tech-Boom-Jahre während der Präsidentschaft Bill Clintons, mit welcher Kraft das System sich entschlacken kann.